Der Heilige Cyprian von Antiochia, der Schutzpatron der Magier, wird leider oftmals mit dem Heiligen Cyprian von Karthago verwechselt. Beide werden heute in fast allen katholischen und orthodoxen Traditionen als Heilige verehrt. Um die Verwirrung jedoch komplett zu machen wird Cyprian von Antiochia in der armenischen Kirche liturgisch und ikonographisch mit Cyprian von Karthago gleichgesetzt.
Aus dem Blickwinkel der okkulten Tradition erlangt allerdings der Heilige Cyprian von Antiochia besonderes Interesse, da er als ausgesprochen mächtiger Magier galt und nach dem er sich dem Christentum zuwandte darüber hinaus zum Heiligen und Märtyrer avancierte.
Er wurde während der Regierungszeit von Decius (249-251 n.Chr.) in Antiochia in Pisidien, der heutigen Ruinenstadt bei Yalvaç in der Türkei geboren und starb 304 n.Chr. in Nikomedia, dem heutigen Ízmit in der Türkei. Damit dürfte er seinem Namensvetter aus Karthago wahrscheinlich nicht begegnet sein, da dieser bereits 258 n.Chr. verstarb.
Bereits als Kind wurde Cyprian dem Gott Apollo geweiht und schon mit 7 Jahren im Tempel den Magiern zur Ausbildung übergeben. Seine Ausbildung Begann in den Bergen des Olymp, wo man ihn lehrte das Wetter zu kontrollieren und das Meer zu beherrschen. Im Alter von 10 Jahren ging er dann nach Argos, wo er der Göttin Juno diente und die Fähigkeiten der Trickster erwarb. Danach führte ihn sein Weg auf die Insel Ikaria, wo er sich der Göttin Diana zuwandte.
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Anschließend studierte er die Kunst der Nekromantie in den Grabstätten von Sparta. Als er 20 Jahre war zog es ihn nach Memphis, wo er in der hohen Magie der Ägypter, insbesondere in deren Zaubersprüchen und Beschwörungsmagie unterwiesen wurde. Mit 30 beendete er seine Ausbildung bei den Chaldäern, nachdem er ihre Astrologie studiert hatte.
Interessant ist, dass die Stationen Cyprians auf seinem Einweihungsweg, ebenso wie bei Frater R.C., als eine Reise um den heiligen See gedeutet werden können, wie wir sie in Variationen aus den antiken ägyptischen Initiationsritualen kennen. Dort symbolisierte heilige See das Bewusstsein. Daher finden wir diesen heiligen See auch stets, wie zum Beispiel auch in der Tempelanlage von Karnak, direkt in der Nähe der ägyptischen Tempel, worin sich das Allerheiligste befand.
Als Cyprian nun, in allen Disziplinen der höheren Magie initiiert, nach Antiochia zurückkehrte, erhielt er von einem jungen Mann den Auftrag ihm ein Mädchen namens Justina gewogen zu machen. Sogleich führte er ein Beschwörungsritual aus, um ihre Lust an dem Jüngling zu entzünden. Doch ihre frommen Exerzitien schützten sie und der beschworene Geist konnte sie nicht erreichen. Stattdessen verliebte sich nun Cyprian selbst unsterblich in sie. Nun bot Cyprian all seine magische Macht auf, um ihr Herz zu gewinnen, doch vergebens, Justina schlug ein Kreuz über sich in die Luft und eine höhere Macht schützte sie, was immer der Magier auch versuchte.
Beeindruckt von dieser Macht, die die seine scheinbar mühelos zu überwinden im Stande war, wandte sich nun auch Cyprian den christlichen Mysterien zu. Der Erzählung nach ließ er sich taufen und wurde erst Priester und dann sogar Bischof von Antiochia.
Durch die Zuwendung zum Christentum, so die Legende weiter, sollen alle Pakte von ihm abgefallen sein.
Seine Geschichte hat zu allen Zeiten in den verschiedensten Varianten Einzug in die Literatur gefunden und es liegen u.a. frühe schriftliche Zeugnisse in Latein, Griechisch, Arabisch und Äthiopisch vor. Diese lieferten 1663 den Stoff für Pedro Calderóns Bühnenstück „El mágico prodigioso”, das 1816 in deutsch unter dem Titel „Der wundertätige Magus” erschien und die Vorlage zu Goethes Faust lieferte.
Auch wenn die Kirche heute natürlich eine andere Geschichte bevorzugt, soll der Heilige Cyprian trotz Priesteramt und Bischofswürde weiterhin auch als Magus gewirkt haben. So berichtet es zumindest die Legende der okkulten Tradition.
Diese okkulte Tradition, die Cyprian verkörpert und die ihr immanente symbiotische Beziehungsfähigkeit gegenüber dem Christentum, hat sich erstaunlich weit verbreitet und ist unter anderem in Dänemark, Portugal, Peru, Mexiko, Brasilien und Italien auch heute noch gegenwärtig. So tragen viele peruanische Curanderos Stäbe aus Chonta-Holz mit dem Bildnis Cyprians bei sich.
Während der sog. Diokletianischen Verfolgung wurden dann Cyprian und Justina, deren Wege das Schicksal nun untrennbar miteinander verwoben hatte, gefangen genommen und nach Nikomedia gebracht, wo ma sie in einen Kessel mit geschmolzenen Pech warf. Doch sie widerstanden Pech und Feuer wie durch Zauberhand. Ein heidnischer Priester versuchte deshalb die sie beschützende Kraft zu bannen und verbrannte sogleich in gewaltigen, aus den aus dem Feuer herausschlagenden Flammen. Voller Furcht enthauptete man die beiden auf der Stelle und sie gelten deshalb seit dem in der christlichen Tradition als Märtyrer.
Man erzählt sich auch, dass den Heiligen Cyprian und die Heilige Justina eine magische Partnerschaft verband, ähnlich der zwischen Simon Magus und Helena.
Der Legende nach soll St. Cyprian sein okkultes Wissen in einem mächtigen Zauberbuch niedergeschrieben haben, dessen Benutzung unbeschreibliche Fähigkeiten verleihen soll. Möglicherweise soll es sich auch um mehrere Bücher gehandelt haben. Viele Werke sind Cyprian seither zugeschrieben worden oder berufen sich auf ihn, auch wenn kaum eines dafür wirklich in Frage kommt.
So soll das „Libro de San Cipriano“, das auch als „Tesoro del Hechicero“ bekannt ist auf St. Cyprian zurückgehen. Dieses Grimoire soll ca. 1000 n.Chr. von dem deutschen Mönch Sulfurino durch automatisches Schreiben in der Absicht empfangen worden sein, das ursprüngliche Werk Cyprians zu reproduzieren.
Desweiteren finden sich eine Vielzahl Cyprian zugeschriebener Zauberbücher im spanischen und portugiesischen Sprachraum auf der ganzen Welt. Inhaltlich ähneln diese oft den verschiedenen volksmagischen Traditionen, wie sie sich vielerorts im Umraum katholischer Riten erhalten haben. Sie zeigen öfter auch eine gewisse Ähnlichkeit mit gängigen Hoodoo-Praktiken.
Interessanterweise wurden auch in Norwegen von Mary Rustad auf einem Dachboden zwei relativ bekannte schwarze Cyprianus-Bücher mit Zaubersprüchen und Elixieren entdeckt, die als die “Black Books of Elverum” bekannt wurden. Dazu sollte man aber wissen, dass die Bezeichnung Cyprianus in der skandinavischen Volksmagie für das „Schwarze Buch” („Svarteboken”) als verallgemeinerter Begriff verwendet wird und synonym für einen Zauberfolianten, eine magische Manuskriptsammlung oder eine Sammlung von Zaubersprüchen steht, was allein schon für sich spricht. Von diesen volksmagisch geprägten Cyprianus-Büchern wurden mittlerweile zahlreiche Exemplare in Norwegen und Dänemark entdeckt.
Es existieren aber durchaus auch Cyprian zugeschriebene Texte außerhalb der Volksmagie. So finden sich im „Verus Jesuitarum Libellus” (Libellus Magicus), dessen Titel gern als „Das wahre magische Werk der Jesuiten” übersetzt wird, die Schriften „Cypriani Citatio Angelorvm” und „Dimissio Cypriani”. Zwar wird dieses Werk heute als Fälschung deklariert, aber wer sich selbst ein Bild machen möchte findet hier das Libellus Magicus online.
Aus okkulter Perspektive ist die Entstehung von Schutzpatronen und Schutzheiligen ohnehin ein ausserordentlich bedenkenswertes Phänomen. So besagt ein aus magischer Sicht einleuchtendes Erklärungsmodell, dass diese Heiligen von der geistigen Welt zu einer Zeit ausgewählt und inspiriert wurden, als die Menschheit es in großen Teilen verlernt hatte die hohen Genien und geistigen Vorsteher direkt zu kontaktieren, bzw. sie sich ein Paradigma hatten aufdrängen lassen, das ihnen diesen Kontakt verbot oder sie dessen für unwürdig deklarierte. So etablierten die geistigen Hierarchien symbolische Kontaktpersonen, die als vermenschlichtes Sinnbild des jeweils repräsentierten göttlichen Genius über den einfachen Glauben zugänglich waren und so den Kontakt in die höheren Reiche bahnen konnten. Auch wenn der Mensch sich in seiner gegenwärtigen Entwicklungsstufe durchaus im Stande befindet sich mit der Kraft seines Geistes bewusst mit den Wesenheiten, die hinter den Schutzpatronen stehen, zu verbinden, sind auch die Schutzpatrone weiterhin tätig und können in der Praxis als greifbare Brücke in die Welt der Genien angerufen werden.
Unabhängig von Perspektive und Authentizität der Überlieferung kann der Heilige Cyprian jedoch zweifelsfrei als Inspirator einer vielzahl magischer Traditionen angesehen werden und gilt deshalb mit Recht als der Schutzpatron aller Magier.
Tage des Heiligen Cyprian:
15. Februar (syrisch-orthodox)
15. Juni (syrisch-orthodox)
18. September (koptisch)
26. September (katholisch)
1. Oktober (orthodox, armenisch)
2. Oktober (orthodox, syrisch-orthodox)
Bezugspunkte:
Antiochia, Ruinenstadt bei Yalvaç in der Türkei (Geburtsort und Hauptwirkungsstätte)
Olympgebirge (Ausbildung in Naturmagie)
Argos (Ausbildung als Trickster)
Insel Ikaria (Weihe der Göttin Diana)
Sparta (Ausbildung in Nekromantie)
Chaldaer (Studium der Astrologie)
Memphis (Ausbildung in Zaubersprüchen und Beschwörungsmagie)
Nikomedia, heute Ízmit in der Türkei (Ort des Matyriums)
Reliquien des Heiligen Cyprian von Antiochia finden sich in Rom.
Quellen:
Jason Miller – The Cult of St Cyprian – Patron Saint of Sorcerers
Ökumenisches Heiligenlexikon – Cyprian von Antiochia
E. Bryant Holman – Mexican Herbal Magic
Wikipedia – Cyprianus
Wikipedia – Cyprian von Karthago
Archives of Western Esoterica – Libellus Magicus
Emil Stejnar – Das Schutzengelbuch: Wie erlangt man Kontakt mit den höheren Wesen – Iberia Verlag, 1. Auflage 2007
Da ergänze ich mal:
Jose Leitao – The Book of St. Cyprian: The Sorcerer’s Treasure
und sein neuestes Buch
The Immaterial Book of St. Cyprian (Folk Necromancy in Transmission, Band 2)
Super, danke Rudolf!